Hereditäre Fructoseintoleranz
Spricht man über eine Fructoseintoleranz, dann ist damit meistens die intestinale Fructoseintoleranz oder auch Fructosemalabsorption gemeint. Diese tritt relativ häufig auf. Sie sollte aber streng von der hereditären Fructoseintoleranz (HFI) unterschieden werden. Die HFI ist zwar deutlich seltener, hat aber auch weitaus schlimmere Folgen für die Betroffenen.
Was versteht man unter hereditärer Fructoseintoleranz?
Bei der HFI handelt es sich um einen angeborenen, vererbten (= hereditären) Defekt, der meist kurz nach der Stillzeit diagnostiziert wird. Muttermilch enthält den Zucker Lactose, der aus den sogenannten Einfachzuckern Galactose und Glucose besteht und somit frei von Fructose ist. Gestillte Kinder entwickeln erst bei Zufütterung mit Obst, Gemüse oder Gesüßtem oder beim Umstieg auf fertige Säuglingsnahrung Symptome.
Nicht gestillte Säuglinge kommen häufig direkt nach der Geburt über die Säuglingsnahrung mit Fructose in Kontakt. Dann zeigen sich meist sofort Symptome. Zu diesen gehören Übelkeit, Erbrechen und Schwitzen aufgrund von Unterzuckerung (Hypoglykämie) und Übersäuerung (Azidose). Bei größeren Mengen an zugeführter Fructose können die betroffenen Säuglinge lethargisch werden, Anfälle bekommen, sowie ins Koma fallen. Eine sofortige Untersuchung durch einen Arzt und ein strikter Verzicht auf Fructose sind nötig um schlimmere Schäden an Leber und Niere zu verhindern. Im schlimmsten Fall kann es unbehandelt zum Tode kommen.
Können auch Erwachsene die Diagnose HFI bekommen?
Sehr selten kommt es erst im Erwachsenenalter zu einer Diagnose. Überleben undiagnostizierte Kinder die ersten Kontakte mit Fructose, entwickeln sie meist aus Selbstschutz eine Abneigung gegen Lebensmittel, die Symptome hervorrufen, bzw. allgemein gegen süße Nahrungsmittel. Häufig erweisen sich diese Kinder als sehr schwer zu ernähren und leiden nicht selten an schlechter Gesundheit und schwachem Wachstum. Viele undiagnostizierte Erwachsene, die mit einer selbst auferlegten fructosearmen Diät leben, erkennen ihre Symptome erst, wenn sie entsprechende Artikel lesen oder anders von hereditärer Fructoseintoleranz erfahren.
Der erste wissenschaftlich erwähnte Fall stammt aus dem Jahr 1956. Eine 24 Jahre alte Frau klagte nach dem Verzehr von zuckerhaltiger und fructosehaltiger Nahrung über Schwäche, Bauchschmerzen und Übelkeit. Nahm sie nur glucosehaltige Nahrung zu sich, zeigte sie jedoch keine Symptome. Durch eine strenge Diät war es möglich ihr schnell und einfach zu helfen.
Eine Diagnose der HFI ist besonders wichtig, da die Aufnahme einer großen Menge an Fructose unwissentlich fatale Folgen haben kann.
Weshalb kann ein einfacher Zucker wie Fructose so schwere Schäden anrichten?
Während Patienten mit einer Fructosemalabsorption die Fructose gar nicht erst aus dem Darm aufnehmen können, funktioniert das Transportsystem bei Personen mit HFI schon. Das Problem tritt erst nach Aufnahme der Fructose in die Blutbahn auf.
Nimmt man Fructose über den Darm auf, wird sie im Blut in in ein Zwischenprodukt, Fructose-1-Phosphat, umgewandelt. Im gesunden Menschen wird dieses Zwischenprodukt im nächsten Schritt in zwei Einfachzucker, also nur aus einem Molekül bestehende Zucker, mit je drei Kohlenstoffatomen gespalten. Diese Einfachzucker, oder auch Monosaccharide, mit drei Kohlenstoffatomen nennt man Triosen. Das Zwischenprodukt Fructose-1-Phosphat soll in die Triosen Glycerinaldehyd und Dihydroxyacetonphosphat aufgespalten werden.
Die Spaltung des Fructose-1-Phosphates wird durch ein sogenanntes Enzym, die Aldolase B vorgenommen. Enzyme sind spezielle Proteine, die im Körper wichtige biologische Vorgänge steuern und beschleunigen. Man bezeichnet sie daher auch als Katalysatoren.
Anreicherung von Fructose-1-Phosphat im Körper
Bei Patienten mit HFI ist die Aldolase B, die in Leber, Niere und Dünndarmschleimhaut vorkommt, nicht funktionstüchtig. Aufgrund einer Genveränderung wird kein oder nur defektes Enzym gebildet. In Folge dessen kann Fructose-1-Phosphat nicht weiter aufgespalten werden. Es kommt zu einer Anhäufung des Zwischenprodukts, was sich toxisch auf Leber, Niere und Dünndarm auswirkt. Gleichzeitig werden Glykolyse und Glukoneogenese gehemmt. Es ist wichtig zu wissen, dass eine Hemmung dieser Stoffwechselvorgänge zu einer Unterzuckerung führt und damit zu den bekannten Symptomen Schwitzen, Übelkeit, Erbrechen und Schwächegefühl.
In der heutigen Zeit ist eine Diagnose dieser Krankheit nach Auftreten der Symptome schnell und einfach. Der behandelnde Arzt kann eine Probe nehmen und das Gen, welches für die Aldolase B zuständig ist auf Veränderungen testen. Es gibt eine Reihe in Europa bekannte Veränderungen. Sind mindestens zwei dieser Mutationen nachweisbar, kann eindeutig von hereditärer Fructoseintoleranz ausgegangen werden. Jedes Gen besteht aus zwei sogenannten Allelen, die beide die gleiche Information enthalten. Also beispielsweise beide die Information zur Bildung von Aldolase B. Ein Allel stammt von der Mutter, das andere vom Vater. Bei HFI handelt es sich um eine rezessiv vererbte Krankheit, das bedeutet: beide Allele müssen einen Defekt aufweisen, damit die Krankheit auftritt. Da dies zum Glück sehr selten ist, liegt die Häufigkeit in Europa bei 1:20.000 bis 1:130.000 je nach Quellenangabe.
Wie lässt sich das behandeln?
Bis heute ist die einzige Therapie bei einer HFI Diagnose leider eine lebenslange, fructosefreie Ernährung. In einigen, wenigen Fällen kommt es vor, dass sich mit zunehmendem Alter eine leichte Toleranz gegenüber Fructose entwickelt. Die meisten müssen jedoch streng auf ihre Ernährung achten.
Auch Sorbit muss vollständig vom Speiseplan gestrichen werden, da es im Körper in Fructose umgewandelt wird. Es ist häufig in Diabetikerprodukten enthalten.
Fazit
Die hereditäre Fructoseintoleranz unterscheidet sich in einigen Punkten von der Fructosemalabsorption. Während die HFI angeboren ist und auf einem genetischen Defekt beruht, kann sich die Fructosemalabsorption auch im Laufe des Lebens entwickeln. Während erstere einen vollständigen Verzicht auf Fructose erfordert, ist es bei Fructosemalabsorption sinnvoll weiterhin Fructose aufzunehmen, um eine Verschlechterung der Fructosetoleranz zu verhindern.